GRUNDLAGEN UND FACHBEGRIFFE

Auf dieser Seite sind einige wichtige Fachbegriffe und Grundlagen zu den Werkzeugen, der Steinbearbeitung und Bautechnik der römischen Antike zusammengefasst. Der Schwerpunkt liegt auch hier, wie bei der griechischen Antike,  auf der Werksteinbearbeitung und der Mauertechnik. An den zahlreichen, teilweise sehr gut erhaltenen Bauten des Römischen Reiches, lassen sich unzählige Spuren ihrer Entstehung ablesen. Diese sind äußerst vielfältig, je nach verwendetem Material (etwa Sandstein, Kalkstein, Vulkantuff, Marmor, oder Granit) oder zeitlichem Auftreten lassen sich natürlich Unterschiede feststellen. Im Folgenden finden sich als kleiner Überblick Beispiele aus ganz unterschiedlichen Regionen, der Betrachtungszeitraum liegt etwa zwischen dem 1. Jhd. v. Chr. und dem 4. Jhd. n. Chr.

Da auch Backsteine eine immense Bedeutung hatten, dürfen einige Beispiele dazu nicht fehlen . 

Literaturauswahl:

Jean-Pierre Adam: La construction romaine : matériaux et techniques, Paris 2023. 

Online: Wilhelm Osthues,: Bauwissen im Antiken Rom. In: Wissensgeschichte der Architektur: Band II: Vom Alten Ägypten bis zum Antiken Rom. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (mit umfangreichen Literaturangaben).

Webseiten zur römischen Bautechnik:

Römische Bauten allgemein (span.), Römische Aquädukte (engl.), Amphitheater (deutsch),  Trajanssäule (ital.)

Pont-Saint-Martin (Aostatal),  mit 31.5 m überspannt diese elegante Brücke aus dem 1. Jhd. v. Chr. den Fluss Lys. Die Brücke wurde aus dem anstehenden Gneis erbaut. Foto: P. Völkle ©


Die Werkzeuge

Andes als in der griechischen Antike ist über die Werkzeuge der Römer sehr viel mehr bekannt. Sowohl im römischen Kernland (insbesondere Pompeji) als auch in den Nordprovinzen haben sich zahlreiche Eisenwerkzeuge erhalten [1,2,3]. In Verbindung mit den erhaltenen Werkzeugspuren lassen sich damit grundsätzlich alle Bearbeitungstechniken nachvollziehen. Folgende Werkzeuge lassen sich nachweisen: Fäustel , Spitzeisen, Schlageisen zwischen etwa 10 und 50 mm breit,  Dechsel, Spitzhacke, Spitzfläche.

Gezahnte Werkzeuge finden sich in der Regel nicht. Dies liegt sicher daran, dass die Werkzeugschneiden der Fundstücke heute meist stark korrodiert sind. An den Werkspuren sind die Zahnungen aber sehr häufig deutlich ablesbar (siehe unten).

1: Eine kurze Zusammenfassung findet sich hier: Peter Völkle: Werkplanung und Steinbearbeitung im Mittelalter, S. 67-68.

2: Ausführlich z.B. in: Gaitzsch, Wolfgang: Eiserne römische Werkzeuge, BAR (British Archaeological Reports) international Series 78. Oxford 1980.  Duvauchelle, Anika: Les outils en fer du Musée romain d‘Avenches. Avenches 2005. Röder, Josef: Der Kriemhildenstuhl. In: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz. Nr. 67, 1969, S. 110 – 132.

3: Eine Übersicht über römisches Werkzeug findet sich z.B. auch hier

 

Römischer Fäustel (oben), Hammer Spitzeisen und Keil. Vindonissa-Museum, Brugg. Fotos: P. Völkle

Römische Werkzeuge

Römische Werkzeugfunde: Schlageisen (Inv. Metall604), Hammer mit rekonstruiertem Griff (Inv. Nr. 84,578), Spitzhacke (Inv. Nr, N9347), Römisch-Germanisches Museum, Köln. Foto: P. Völkle

Römische Werkzeuge Steinbearbeitung

Umgezeichnete römische Steinbearbeitungswerkzeuge aus verschiedenen Grabungsfunden. Abb. aus: Völkle 2016, S. 68. 


Der Steinabbau

In römischer Zeit wurden die unterschiedlichen Steinarten in großem Umfang abgebaut. Als besonders gut erhaltenes und eindrückliches Beispiel für einen römischen Steinbruch  sei die Abbaustelle in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz), der sogenannte  Krimhildenstuhl  genannt. Neben den hervorragend erhaltenen Abbauspuren sind auch die Werkzeugfunde (heute im Stadtmuseum von Bad Dürkheim ausgestellt) von besonderem Interesse.

In der Regel wurden die Steine nahe bzw. so nahe wie möglich an der Baustelle gebrochen. Für besondere Bauwerke oder hochwertige Bauteile wurden Steine aber auch über weite Strecken auf dem  Wasserweg transportiert. Vor allem der begehrte Marmor kam von über 100 Abbaustellen aus dem gesamten Mittelmeerraum  über den Seeweg, dafür hatten die Römer sogar eigene Schiffstypen, die  naves lapidariae  im Einsatz. 

Römischer Steinbruch Glanum

Römischer Kalksteinbruch in Glanum (Provence), 4. Jhd. n. Chr. Foto: P. Völkle ©


Einige Beispiele römischer Steinbearbeitung 

Die Steinbearbeitung der römischen Antike steht in direkter Nachfolge und Tradition der griechischen Bearbeitungstechniken. An zahlreichen Bauwerken lassen sich die Spuren der römischen "lapidarii" (Steinmetze) sehr gut ablesen, Arbeitsabläufe rekonstruieren und der Einsatz der oben genannten  Werkzeuge nachvollziehen.  Die handwerklichen Grundsätze - das Anlegen der Randschläge und das Abarbeiten der Spiegelflächen- entspricht dabei weitgehend den im antiken Griechenland etablierten Methoden

 

Gespitzte Oberflächen

Viele Werksteinoberflächen wurden nach dem Anlegen des Randschlags nur grob mit Spitzeisen und Fäustel bearbeitet. Vor allem Zweckbauten aus einfachen Mauerquadern wurden mit dieser schnellen und effektiven Bearbeitung hergestellt. Die anzutreffenden Spuren sind sehr unterschiedlich: So finden sich neben unregelmäßigen, richtungslosen auch langgezogene gerade oder leicht gebogene Spitzspuren. Manchmal finden sich auch fein gespitzte, teilweise fast gepickte  Oberflächen, möglicherweise erfolgte diese Bearbeitung mit einem Zweispitz. Die folgenden Abbildungen zeigen einen kleinen Querschnitt dieser weit verbreiteten Bearbeitung.

Tempelstützmauer aus Sandsteinquadern, grob gespitzt (Augusta Raurica, vermutlich 70 n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Grob gespitzte Kalksteinquader mit Randschlag (Aquädukt/Mühlen von Barbegal2. Jhd. nach Chr ). Foto: P. Völkle ©

Unten grob, oben in Bahnen gespitzte Kalksteinquader mit Randschlag (Mühlen von Barbegal , 2. Jhd. nach Chr ). Foto: P. Völkle ©

Kalksteinquader der unteren Bogenreihe mit verschiedenen Spitzspuren (Pont du Gard 1. Jhd. n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Kalksteinsarg mit verschiedenen Spitzspuren:  Der Sargdeckel zeigt bogenförmige Schrotrillen, der Sarg kurze Spitzspuren in wechselnder Richtung. (Römisch- Germanisches Museum Köln, Inv. Nr. 68, 59.28, 3. Jhd. n. Chr,).  Foto: P. Völkle ©

Fein gespitzte Oberfläche an einem dichten Kalkstein ( Amphitheater von Nîmes, um 100 n.Chr.). Foto: P. Völkle ©

Gezahnte Oberfläche

Gezahnte Werkzeuge waren in der römischen Antike weit verbreitet. Die damit bearbeiteten Oberflächen variieren stark, je nach Steinmaterial, Feinheit der Zahnung und der Arbeitshaltung des Steinmetzen. Ob die Bearbeitung mit dem Zahneisen, der Zahnfläche oder der Zahndechsel durchgeführt wurde, lässt sich dabei aufgrund der ähnlichen Spuren nicht immer zweifelsfrei bestimmen.

Fein gezahnter Kalksteinquader, Die Schneidebreite ist nur schwer ablesbar, beträgt aber etwa 4 cm mit 10 Zähnen (Kolosseum, Rom, 1. Jhd. n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Fein gezahnter Marmor (vor dem Tempel der Venus und der Roma, Rom, 2. Jhd. n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Gezahnter Kalksteinquader (Diokletianspalast Split, um 300 n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Glatt bearbeitete Oberfläche

Viele Werksteinoberflächen wurden auch mit glatten Werkzeugen bearbeitet. Ähnlich wie beim gezahnten Werkzeug sind auch hier die unterschiedlichen Werkzeuggattungen (Schlageisen, Fläche oder Dechsel)  nur sehr schwer zu unterscheiden. Die Bearbeitungsspuren reichen von grob bearbeiteten Oberflächen an untergeordneten Bereichen bis hin zu sehr feinen Spuren an repräsentativen Werksteinbauten. 

Auch in römischer Zeit kamen, wie bereits in der griechischen Antike, vereinzelt Scharriereisen zum Einsatz. Meist in einer Breite von 5-8 cm wurden damit z.B. häufig die Rückseiten von Grabstelen bearbeitet. 

Fein bearbeiteter Kalksteinquader (Aquädukt/Mühlen von Barbegal2. Jhd. nach Chr ). Foto: P. Völkle ©

Fein bearbeiteter Kalksteinquader, Detail mit Wolfsloch. Die Bearbeitung erfolgte mit einem ca. 4 cm breiten Schlageisen  (Aquädukt/Mühlen von Barbegal2. Jhd. nach Chr. ). Foto: P. Völkle ©

Mauerwerk aus Vulkantuff, rel. grob mit einem breiten Schlageisen bearbeitet. (Pompeji, Hausecke REG VIII INS 5.19, vermutlich 1. Jhd. v. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Mauerwerk aus Vulkantuff, fein, radial abschwenkend mit einem breiten Schlageisen bearbeitet. (Pompeji, Hausecke REG VIII INS 5.19, vermutlich 1. Jhd. v. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Mauerwerk aus Vulkantuff, ungeregelt mit einem breiten Schlageisen bearbeitet. (Pompeji, Hausecke REG VIII INS 5.19, vermutlich 1. Jhd. v. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Mit einem Breiteisen in Bahnen scharriert (Inv. Stein 402,  Grabstein für Ocellio, Römisch-Germanisches Museum, Köln, 1. Jhd. n. Chr. ). Foto: P. Völkle ©


Mauerwerk

In römischer Zeit wurden sehr unterschiedliche Mauerwerkstypen verwendet. Neben dem in griechischer Tradition stehenden mörtellosen Großquadermauerwerk sind vor allem die neu entwickelten Mauerwerksformen aus kleinteiligem Schalenmauerwerk als Verblendung und einem mit hydraulischem Kalkmörtel und Zuschlägen gefüllten Mauerkern von großer Bedeutung. Diese auch als opus caementitium bezeichnete Mauertechnik ist eine geradezu revolutionäre römische  Erfindung [4]. Erst sie ermöglichte die Errichtung der zahllosen Großbauwerke wie Aquädukte, Thermen oder Stadtmauern.

4: H.-O. Lamprecht: Opus caementitium. Bautechnik der Römer, Düsseldorf, 1996.

 

Großquadermauerwerk

Das Großquadermauerwerk aus rechteckigen Blöcken  wird bei den Römern auch opus quadratum genannt.  Meist wurden die Blöcke, wie in der griechischen Antike, mit Läufern und Bindern ohne Mörtel versetzt. Das opus quadratum kann in zwei unterschiedliche Typen eingeteilt werden:

Das opus isodomum ("gleichmäßiges Mauerwerk") bezeichnet eine Mauertechnik, bei der rechteckige Steine in gleichmäßig hohen, durchgehenden  Schichten verlegt wurden.  Diese sowohl in der griechischen als auch in der römischen Architektur verwendete Technik wurde mit sehr dünnen Pressfugen ausgeführt. Dadurch entstanden stabile Mauerstrukturen, die vor allem für repräsentative Bauten verwendet wurden.

Der Aufwand für diese Mauern war allerdings groß und erforderte neben qualifizierten Steinmetzen auch einen Steinbruch, in dem entsprechende Schichthöhen in großen Mengen abgebaut werden konnten.

Beim opus pseudoisodomum ("scheinbar gleichmäßiges Mauerwerk")  wurden zwar ebenfalls rechteckige Steine verwendet, aber die Schichten sind nicht gleich hoch. Die horizontalen Fugen liegen meist auf einer Linie, können aber auch einen horizontalen Versatz haben. Das Mauerwerk wirkt dadurch unregelmäßiger, aber dennoch stabil.

Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass im Steinbruch auch unterschiedliche Schichthöhen abgebaut und verwendet werden konnten. 

Opus quadratum (opus isodomum) aus Tuffstein. Pompeji, REG VII INS 14.1,  vermutlich 1. Jhd. v. Chr. Foto: P. Völkle ©

Opus quadratum mit deutlich sichtbaren Randschlägen und verschiedenen Oberflächenbearbeitungen ( Amphitheater von Nîmes, um 100 n.Chr.). Foto: P. Völkle ©

Opus isodomum mit gespitzter Oberfläche. Deutlich erkennbar sind die langen Läufer- und kurzen Bindersteine  (Pont du Gard, 1. Jhd. n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Opus quadratum (Opus pseudoisodomum, mit unterschiedlichen Schichthöhen und Mauerversatz), glattes und gezahntes Werkzeug (Diokletianspalast Split, um 300 n. Chr.). Foto: P. Völkle ©

Opus quadratum (Opus pseudoisodomum) Gut erhalten, sehr feine Fugen (Glanum, Triumphbogen, ca. 20 n. Chr.). Foto: P. Völkle ©


Hebegeräte für den Steinversatz

 Die römischen Werkleute hatten vielfältige und sehr leistungsfähige Hebegeräte für den Steinversatz zur Verfügung (die Werksteine der oben abgebildeten Mauern wiegen etwa 0,5 - 2 Tonnen). Vitruv beschreibt im zehnten Buch seiner Zehn Bücher über Architektur neben  den Grundlagen der Mechanik auch die Funktionsweise des Krans. Dieser besteht aus einem Ausleger, der durch Seile, Flaschenzüge und Winden betrieben wird, um schwere Lasten anzuheben und zu bewegen. Damit konnten Baumaterialien und große Steine gehoben und positioniert werden. Eine der wenigen Darstellungen eines römischen Krans findet sich im Museo Gregoriano Profano in Rom. Dort ist auf einem Relief des Mausoleum der Haterii eine Abbildung eines Tretrades mit Ausleger zu sehen (siehe auch nebenstehende Abbildung).

Eine Beschreibung der antiken Hebegeräte findet sich z.B. bei Stefan Holzer [5]. Auch bei  Marco Cecceralli [6, online verfügbar] finden sich viele Informationen über das Aussehen und die Rekonstruktion römischer Krane.

5: Stefan M. Holzer: Gerüste und Hilfskonstruktionen im historischen Baubetrieb (S. 228-235). Berlin 2021.

6: Ceccarelli, M. (2020) Design and Reconstruction of an Ancient Roman Crane. Advances in Historical Studies9, 261-283.

Abbildung eines Krans auf der Reliefplatte des Haterii Mausoleums.

Lastaufnahmemittel 

Zum Anheben und Versetzen der Steine wurden neben dem Kran auch die sogenannten Lastaufnahme- oder  Anschlagmittel benötigt. Dies erfolgte meist mit dem zwei- oder dreiteiligen, konisch spreizenden  Wolf,  der seine Klemmfunktion beim Anheben im ebenfalls konisch ausgearbeitet Wolfsloch entfaltete. Damit war der Transport auch sehr großer Lasten problemlos möglich. Obwohl keine römischen Exemplare erhalten sind, lassen sich ihre zum Teil sehr unterschiedlichen Abmessungen anhand der zahlreichen Wolfslöcher an römischen Ruinen oder ausgebauten Werkstücken rekonstruieren. Ihr Aussehen entsprach vermutlich den seit dem Mittelalter bis ins 20. Jhd.  eingesetzten und überlieferten Exemplaren [6].

6: Stefan M. Holzer: Gerüste und Hilfskonstruktionen im historischen Baubetrieb (S. 284-291). 

 

Arles, Theater (1. Jhd. v. Chr.), Wolfslöcher. Foto: P. Völkle ©

Museum Avenches,  Kalksteinrelief "Tanzender Attis", (40 n. Chr.), Wolfsloch, Abmessungen 10,2 x 2,5 x 3,8 cm. Foto: P. Völkle  ©

Zadar (Kroatien), wiederverwendete antike Säulentrommeln mit Wolfsloch im Fundament der byzantinischen Kirche St. Donatus (9. Jhd.).   Foto: P. Völkle ©

Römischer Wolf

Rekonstruktion eines 3-teiligen Wolfs. Zeichnung: P. Völkle ©

Eher selten kam die Steinzange zum Einsatz, die in der Gotik zum wichtigsten Anschlagmittel werden sollte. Trotzdem lassen sich einige Beispiele von Zangenlöchern finden, etwa an dem unten abgebildeten Theater von Aosta (1. Jhd. n. Chr.). Auffallend ist hier, dass sich die Zangenlöcher jeweils sehr weit an der Oberkante der Werkstücke befinden.

Aosta (Italien), römisches Theater, Bühnenhaus (frons scenae), 1. Jhd. n. Chr. Foto: P. Völkle ©

Aosta: Zangenlöcher an den Bogensteinen. Foto: P. Völkle ©

Steinzange. Zeichnung: P. Völkle ©

Aosta: Zangenlöcher an den Pfeilerquadern. Foto: P. Völkle 

Eingezeichnete Zangenlöcher. Foto: P. Völkle ©


Kleinquadermauerwerk und opus caementitium

Eine der bedeutendsten Erfindungen der Römer war  das mehrschalige Mauerwerk, bei der eine Schalung aus unterschiedlich geformten Kleinquadern oder Ziegelsteinen erstellt und  während dem Aufmauern mit dem sogenannten "opus caementitium", auch als "Römerbeton" bekannt, verfüllt wurde. Diese Mischung aus Bruchsteinen und hydraulisch abbindendem Mörtel ermöglichte eine schnellere und flexiblere Bauweise und hatte mehrere Vorteile: Zunächst waren die Ansprüche an den abzubauenden Stein für die Schalung hinsichtlich Schichthöhe und Fehlern wesentlich geringer als bei einem Großquadermauerwerk. Die kleinen Quader konnten direkt im Steinbruch zugerichtet werden; für das Zurichten der kleinteiligen Steine waren auch keine großen handwerklichen Fähigkeiten notwendig. Der anfallende Schutt konnte als Zuschlag  für die Füllmasse verwendet werden.

    Aquädukt/Mühlen von Barbegal, (2. Jhd. nach Chr.): Beispiel für ein  Kleinquadermauerwerk (opus vittatum) mit einer Füllung aus opus caementitium. Durch die abgefallene Mauerschale (links) ist ein Blick in die Mauerstruktur möglich. Foto: P. Völkle ©

    Der hydraulisch abbinden Mörtel für den Mauerkern wurde wohl im 3. Jhd. v. Chr. erfunden, in großem Stil wurde er aber vor allem seit der Mitte des 1. Jhd. n. Chr. eingesetzt [7]. Die hydraulischen Eigenschaften des Mörtels wurde durch den Zusatz von natürlichen und künstlichen Puzzolanen erreicht:  Natürliches Puzzolan ist eine Vulkanasche, die in Pozzuoli, der namensgebenden Stadt in der Nähe von Neapel, abgebaut wurde. Durch die Erhitzung bei den vulkanischen Prozessen sind die für die hydraulische Eigenschaften notwendigen Bestandteile (lösliche Kieselsäuren und reaktionsfähige Aluminiumnoxide) aktiviert. In Verbindung mit Kalkhydrat entsteht damit ein Mörtel, der auch unter Luftabschluss abbindet und ähnliche Festigkeiten wie ein moderner Beton erreicht. Stand kein natürliches Puzzolan zur Verfügung, griffen die Römer auf Ziegelmehl (zerstoßene Tonziegel), zurück. Auch damit konnten hervorragende hydraulische Mörtel hergestellt werden, sie kamen vor allem auch bei wasserführenden Bauten wie Wasserbecken, Zisternen und Wasserleitungen zum Einsatz [8]. 

    7: H.-O. Lamprecht: Opus caementitium. Bautechnik der Römer, Düsseldorf, 1996, S. 44

    8: Siehe auch https://mprl-series.mpg.de/studies/4/5/index.html#200

    Herculaneum, Casa dei Cervi, Mauerdurchbruch mit Blick in eine Mauerstruktur mit Tuffsteinen und  Puzzolanmörtel. Foto: P. Völkle ©

    Aquädukt/Mühlen von Barbegal, (2. Jhd. nach Chr.): Beispiel für einen Kalkmörtel mit Ziegelsplit. Foto: P. Völkle ©


    Die Erfindung des opus caementitium ging einher mit der Entwicklung geeigneter Schalungsmauern. Allerdings waren sowohl deren regionale Bedeutung wie zeitliche Abfolge sehr unterschiedlich. Vereinfachend können aber folgende Mauerwerkstypen unterschieden werden:

    Opus incertum

    Das opus incertum ("unregelmäßiges Mauerwerk") bestand aus unterschiedlich großen, unregelmäßig geformten  Steinen die nicht oder nur wenig bearbeitet waren. Diese wurden in Mörtel versetzt, gleichzeitig wurde der Kern mit opus caementitium verfüllt. Für dieses Mauerwerk wurde das anstehende Gestein, mit Vorliebe aber Kalkstein verwendet, die unruhige Oberfläche erhielt auch oft einen Verputz.  Allerdings eignete sich diese Mauerstruktur nicht für Mauerabschlüsse und Eckkonstruktionen; hier wurden mit größeren Quadersteinen, später auch mit Backsteinen, stabile Verbände errichtet. 

    Da dieses zweischalige Mauerwerk vor allem bei größeren Abmessungen instabil wurde, wurden oft in gewissen Abständen horizontale Schichten aus opus vittatum (s.u.) oder Ziegellagen eingefügt. Diese dienten der Stabilisierung der Mauerstruktur. Gelegentlich kam auch der sogenannte "Ziegeldurchschuss" zur Anwendung. Dabei wurden die beiden Schalen mit durchgehenden Ziegellagen verbunden, die stabilisierend wirkten.

    Die größte Verbreitung erlangte diese Mauertechnik zwischen dem 2. und 1. Jhd. v. Chr., blieb bei einfachen Bauten aber auch wesentlich länger im Einsatz. Ein Sonderfall bilden der Wiederaufbau bzw. Reparaturen von Pompeji und Herculaneum nach dem Erdbeben von 62.n. Chr.; hier wurden die Häuser in großem Stil wieder mit opus incertum errichtet [9].

    9: Jean-Pierre Adam: La construction romaine : matériaux et techniques, S. 141.

    Opus incertum aus Kalkstein, in der offenen Mauerstruktur (gelbe Umrandung) ist die Mauerfüllung aus Opus caementitium sichtbar.  Butrint (Albanien). Foto: P. Völkle ©

    Opus incertum aus  sorgfältig gefügtem Tuffstein  mit einer Eckausbildung aus opus quadratum. Oben größere Putzreste. Herculaneum, VI.13/11. Foto: P. Völkle ©

    Opus incertum aus Tuffstein  mit einer Eckausbildung aus Ziegelsteinen. Beim gelben Pfeil sind Putzreste sichtbar. Pompeji,  1. Jhd. n. Chr.. Foto: P. Völkle ©


    Opus reticulatum und opus quasi reticulatum

    Nach und nach entwickelte sich aus dem unregelmäßigen opus incertum das aus quadratisch geformten Kleinquadern und diagonal vermauerte opus reticulatum ("netzartiges Mauerwerk"). Die Entwicklung begann bereits ab dem späten 2. Jhd. v. Chr., wobei zu Beginn die Steine noch nicht sehr exakt geformt und das Fugenbild noch eine unregelmäßige Netzform aufwies. Man spricht bei dieser Mauerwerksart auch von opus quasi reticulatum

    Ab dem 2. Viertel des 1. Jhd. v. Chr. tritt das opus reticulatum schließlich seinen Siegeszug an und war in der späten Republik und frühen Kaiserzeit weit verbreitet. Neben der starken ästhetischen Wirkung hatte das opus reticulatum Vor- und Nachteile. Vorteilhaft war sicher, dass die gleichmäßig geformten, gewissermaßen "genormten" Steine einfacher zu vermauern waren. Nachteilig war dagegen der höhere Aufwand bei der Herstellung sowie die wohl zahlreich auftretenden Probleme bei der Stabilität dieser Mauerform. Dies rührt vor allem daher, dass die Einzelsteine gegen das Mauerinnere verjüngt ausgebildet waren (siehe Skizze) . Bereits Vitruv gab dem bereits aus der Mode kommenden opus incertum den Vorzug vor dem sich zunehmend durchsetzenden opus reticulatum. Er begründete diese Präferenz mit der angeblich größeren Festigkeit des opus incertum [10].

    10: Jean-Pierre Adam: La construction romaine : matériaux et techniques, S. 142-147.

    Schemazeichnung  eines opus reticulatum: Die quadratisch ausgebildeten Steine sind nach innen verjüngt und in die Mörtelmasse des opus caementitium eingelegt . Zeichnung: P. Völkle ©, Grundlage: Ximena Amarales, https://roma-bella.com/

    Opus quasi reticulatum aus Vulkangestein, Amphitheater, Pompeji, 70 v. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Opus reticulatum aus Tuff,  Herculaneum, II.2, vermutlich 1. Jhd. v. Chr.  Foto: P. Völkle ©

    Opus reticulatum aus Tuffstein, das Mauerende wurde mit einem opus mixtum aus o. vittatum und Ziegelsteinen  erstellt , Herculaneum, II.2, vermutlich 1. Jhd. v. Chr.  Foto: P. Völkle ©

    Opus reticulatum aus verschiedenen Vulkangesteinen , Pompeji, VI.6.5, 1. Jhd. v. Chr. (?). Foto: P. Völkle ©

    Opus reticulatum aus verschiedenen Vulkangesteinen , Detail. Pompeji, VI.6.5, 1. Jhd. v. Chr. (?). Foto: P. Völkle ©


    Opus vittatum

    Das opus vittatum ("bandförmiges Mauerwerk") besteht aus kleinformatigen, langrechteckigen Quadern die in gleichen Schichthöhen in horizontalen Bahnen vermauert wurden. Auch dieser Mauertyp dient als Schale für den Mauerkern aus Stampfbeton, dem opus caementitium. In der Regel sind die Quader etwa 10-12 cm hoch und 10-20 cm lang. Häufig sieht man aber auch, dass der gesamte Mauerkern mit diesen kleinformatigen Quadern, wenn auch sehr unregelmäßig,  durchgemauert wurde. In Rom war dieser Mauertypus nicht sehr verbreitet, findet sich aber in Gallien und nördlich der Alpen an zahllosen Bauwerken, vor allem ab dem 1. Jhd. v. Chr. bis zum Ende der römischen Bautätigkeit [11].

    11: Jean-Pierre Adam: La construction romaine : matériaux et techniques, S. 147-151.

    Opus vittatum aus Kalkstein an der Curia in Glanum (F), spätes 1. Jhd. v.. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Opus vittatum aus Kalkstein an der Curia in Glanum (F), spätes 1. Jhd. v.. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Opus vittatum aus Kalkstein im Amphitheater von Arles, 1. Jhd. n. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Opus vittatum aus Sandstein am Aquädukt von Fréjus, 1. Jhd. n. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Opus vittatum aus Sandstein am Aquädukt von Fréjus, 1. Jhd. n. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Opus vittatum aus Kalkstein, teilweise rekonstruiert. Theater Augusta Raurica, 2.-3. Jhd. n. Chr. Foto: P. Völkle ©


    Opus testaceum, das römische Ziegelmauerwerk

    Ab der Zeitenwende wurden gebrannte Ziegel zu einem Standardmaterial für die Verblendung von opus caementitium. Anders als bei den heutigen langrechteckigen Backsteinen wurden römische Ziegel meist in flachen, quadratischen oder rechteckigen Formen hergestellt und dann diagonal in Dreiecke geteilt. Dabei hatten die Rechtecke verschiedene, auf römischen Fußmaßen beruhende Seitenlängen. Beim Vermauern zeigte die spitze Seite des Dreiecks in Mauerinnere und ergab eine Verzahnung mit der Füllmasse des o. caementitium. Zu den Details der Herstellung und Anwendung des opus testaceum sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen  [z.B. 12, 13]. 

    12: Jean-Pierre Adam: La construction romaine : matériaux et techniques, S. 157-163.

    13: Luise Albrecht, Werkspuren an Ziegeln im opus testaceum – zur Frage der Ziegelteilung , in:  Werkspuren - Materialverarbeitung und handwerkliches Wissen im antiken Bauwesen. Regensburg 2017, S. 193-208.

    Ein Film auf Arte zum Thema "Römische Ziegel": https://www.youtube.com/watch?v=XkjHQodggXo 

    Ursprünglich 70 x 100 m groß: Aus Opus testaceum erbaute Maxentiusbasilika  in Rom, 307-313. n. Chr. Foto: P. Völkle ©

    Maxentiusbasilika: Detail eines Pfeilers aus Ziegelsteinen. Foto: P. Völkle ©

    Maxentiusbasilika: Blick in eine Pfeilerfüllung aus opus testaceum. Foto: P. Völkle ©


    Opus mixtum

    Mit dem Begriff opus mixtum ("Gemischtes Mauerwerk")  werden die zahlreichen kombinierten Mauerverbände beschrieben. Je nach Zeit und Region sind hier fast alle technischen und ästhetischen Kombinationen denkbar.

    Opus mixtum aus opus reticulatum und o. testaceum, Rom, Forum romanum . Foto: P. Völkle ©

    Opus mixtum aus opis reticulatum, o. tesatceum und 0. vittatum, Pompeji. Foto: P. Völkle ©

    Opus mixtum, Pompeji. Foto: P. Völkle ©

    Abschließend noch ein Beispiel aus Pompeji das an einem Gebäude die ganze Vielfalt römischer Mauertechniken und -typen direkt nebeneinander  zeigt:

    Pompeij, Marcellum

    Pompeji, Regio VII.9, 9-11. Marcellum, Westansicht der Taverne, 1. Jhd. n. Chr. mit einer Vielzahl von Mauertechniken: 1: opus  incertum, 2: Verputz über opus incertum, 3: opus testaceum, 4: opus quadratum, 5: opus reticulatum, 6:  gemauerter Rundbogen: P. Völkle ©