Messene, ein Bilderbuch griechischer Steinbearbeitung

Messene liegt im Südwesten der Peloponnes-Halbinsel, etwa 30 Kilometer nordwestlich der Stadt Kalamata. Die antike Stadt Messene wurde im Jahr 369 v. Chr. auf einer Ebene zwischen dem Berg Ithome und dem Berg Aigaleon gegründet und spielte eine wichtige Rolle in der hellenistischen Ära Griechenlands. Die archäologischen Überreste von Messene umfassen eine komplette antike Stadtstruktur mit Theater, Stadion, Agora und vielen anderen Bauten und bieten einen einzigartigen Einblick in die antike griechische Zivilisation. Besonders beeindruckend ist auch die Stadtmauer, die zu den besterhaltenen Befestigungsanlagen des antiken Griechenlands zählt.

Im Vergleich zu den überlaufenen touristischen Hotspots wie etwa Delphi oder Olympia ist Messene ein wohltuend ruhiger Ort. Zwar fehlen bekannte Highlights, bei genauem Hinschauen entpuppen sich aber die steinernen Überreste - neben ihrer imposanten Größe und Vielfalt -  als eindrückliche Zeugen griechischer Steinbearbeitung und Mauertechnik des 4. und 3. Jhds. v. Chr.    

Lageplan der Ausgrabungsstätte. Bildherkunft

Blick auf das weitläufige Ausgrabungsareal von Messene, in der Bildmitte das Asklepieion. Bildherkunft


1. Das Theater

Beim Betreten des Ausgrabungsgeländes trifft man bereits nach wenigen Schritten auf die Umfassungsmauer des Theaters. Diese ist stellenweise noch sehr gut erhalten und zeigt überwiegend ein nahezu isodomes, grob bossiertes Mauerwerk aus einem stark geschichteten lokalen Kalkstein (Abb. 2). Die Fugen sind meist vertikal, teilweise aber auch trapezförmig ausgebildet. Im weiteren Verlauf Richtung Südostecke des Theaterkomplexes (Abb. 3 und 4) zeigen sich auf der Oberfläche einiger Quader grobe Spitzspuren (Abb. 5-8), ein Randschlag fehlt hier völlig. 

Die weitgehend rekonstruierte Südseite ("Parados") besteht dagegen aus einem kompakteren Kalkstein. Die noch erhaltenen Originalsteine (neben vielen erneuerten) zeigen einen breit gezahnten Randschlag und einen fein gepickten Spiegel (Abb. 8 und 9). Auf den Randschlägen finden sich zahlreiche Steinmetzzeichen (Abb. 10) [1]. 

[1]  Zur Baugeschichte und den Steinmetzzeichen: https://diazoma.gr/en/press-releases/the-theatre-at-messene-building-phases-and-masons-marks-2/

 


2. Ekklesiasterion

Das Ekklesiasterion ist der theaterartige Versammlungsraum der Bürger, der in Messene von einem besonders schönen Mauerwerk umgeben ist (Abb. 2). In wechselnden Schichthöhen zeigt sich hier ein polsterförmiges Quadermauerwerk mit jeweils nach vorne abgeschrägten vertikalen Fugen (Abb. 3 und 4). Dadurch wird der Charakter der einzelnen Steine betont bzw. verstärkt. Die Oberfläche wurde vermutlich fein gespitzt, die Bearbeitung ist durch Verwitterung bzw. biogenen Bewuchs leider nur schwer ablesbar. An der ausgebrochenen Fuge (Abb. 5) kann man gut die glatt bearbeitet Fugenfläche des Unterlagers erkennen, Abb. 6 zeigt die aufeinander geschichteten Quader mit den abgerundeten Spiegelflächen.

Der Sockel besteht aus einer doppelten Orthostatenreihe [2] mit einer Grund- und Deckplatte. Auf Abb. 7  erkennt man den typischen Aufbau mit den zwei senkrecht stehenden Orthostaten und den im 90° Winkel dazu versetzten stabilisierenden Steinplatten. Abb. 8 und 9 zeigen die fein gespitzte Oberfläche mit einem Versetzbossen.  

Auf der gegenüberliegenden Seite (siehe Grundriss, Abb. 1) befindet sich ebenfalls ein Mauerwerk mit Orthostaten, hier aber mit einer sehr feinen, gezahnten Oberfläche. Aufgrund des guten Erhaltungszustandes kann man hier die Bearbeitungsspuren eines ca. 2,5 cm breiten Zahneisens mit etwa 10 Zähnen noch sehr gut ablesen (Abb. 10-13).

[2] Wolfgang Müller-WienerGriechisches Bauwesen in der Antike. C.H. Beck, München 1988,  S. 88

 


3. Artemistempel

Der Artemistempel ist durch ein Dach geschützt und die Steinoberflächen sind nach den Ausgrabungen in einem hervorragenden Zustand. Dadurch sind hier an dem dichten Kalkstein die Werkzeugspuren des Zahneisens bzw. der Zahnfläche gut ablesbar. Abb. 1 und 2 zeigen eine steinerne Schatztruhe mit einem besonders sorgfältig ausgearbeitetem Versatzbossen. Auf Abb. 3 wurde der Versatzbossen mit einem Spitzeisen grob zurück gearbeitet. Auch die Sockelzone der Nordwestwand (Abb. 4 bis 6) zeigt sehr schöne Spuren des Zahneisens (etwa 3,5 cm breit mit 12 Zähnen). Der Randschlag ist an Orthostat und Deckplatte vertieft ausgeführt und betont damit die Spiegelflächen. Der nur noch teilweise erhaltene Sockel der Südwestseite ist sehr ähnlich bearbeitet und lässt wegen der fehlenden Deckplatte die ehemalige Verklammerung der Orthostaten erkennen (Abb. 7 bis 9). Westlich der überdachten Zone finden sich ebenfalls gut erhaltene Sockelsteine (Abb. 10 und 11). Diese wurden jedoch nicht mit dem Zahneisen bearbeitet, sondern fein gespitzt. Oberhalb der beiden senkrechten Fugen sind zwei Löcher zu sehen. Diese an antiken Bauwerken häufig zu beobachtenden Schäden sind auf "Metalldiebe" zurückzuführen, die genau wussten, wo sich die Verbindungsklammern der Orthostaten befanden...

 


4. Die Stadtmauer 

Die Stadtmauer von Messene gehört, wie bereits erwähnt, zu den am besten erhaltenen Befestigungsanlagen der griechischen Antike. Mit einer Länge von 7,7 km und den Resten von 46 Türmen ist sie ein imposantes Beispiel griechischer Wehrtechnik [3]. Die ständige Bedrohung durch Sparta erforderte eine geschlossene Mauer um die Stadt, sie umfasst, zusammen mit der natürlichen Schutzfunktion der Topographie, eine Fläche von etwa 360 ha.  Besonders gut erhalten sind das "Arkadische Tor" (Abb.2-8) und der östlich anschließende Mauerabschnitt mit Wehrturm (Abb. 9-13). An der Toranlage, die aus einem runden, etwa 19,3 m messenden Innenhof und zwei vorgelagerte Flankentürmen besteht,  zeigt sich beispielhaft der repräsentative Charakter: Das sorgfältig errichtete isodomen Mauerwerk über einem Sockel aus Orthostaten weist über die ganze heute noch sichtbare Oberfläche ein Kerbendekor auf [4]. Bei dieser Bearbeitung wurden mit einem Spitzeisen etwa 10 cm lange Rillen gespitzt, die in der nächsten Reihe jeweils versetzt angebracht wurde (Abb. 6 und 8). Diese Zierbearbeitung erfordert einen erheblichen Mehraufwand in der Steinbearbeitung und unterstreicht den hohen ästhetischen Anspruch an das monumentale Bauwerk. 

Unmittelbar daneben geben die teilweise eingestürzten Mauern einen direkten Einblick in den Mauerstruktur der Stadtmauer: Das zweischalige Mauerwerk wurde mit bossierten Quadern sehr präzise errichtet, die Läufer- und Binderkonstruktion mit dem verwendeten Füllmaterial ist gut zu erkennen. Vor allem der Blick auf die roh belassenen, ins Mauerwerk ragenden Steinblöcke zeigt, wie rationell diese Mauern errichtet wurden (Abb. 9 und 11). Dennoch ist an den Eckausbildungen zu erkennen, dass auch Wert auf konstruktive Details gelegt wurde. (Abb. 10).

[3] Economic Challenges of Building a Geländemauer in the Middle of the 4th century BC: Quantifying the City Wall of Messene Jean-Claude Bessac-Silke Müth, 2020. Online verfügbar unter:

https://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum/catalog/book/634

[4] Jürgen Giese: "Kerbendekor" und "gesäumte Spitzung". Zur Entwicklung und Bedeutung griechischer Werksteinoberflächen im 4. Jh. v. Chr. In: Werkspuren - Materialverarbeitung und handwerkliches Wissen im antiken Bauwesen p. 119-133. Regensburg 2017. Dort auch Überlegungen zum Fertigungsprozess.